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Einzelschicksal - Walter Kempowski

Am 29.April 1929 wird Walter Kempowski in Rostock geboren. In diesen Tagen wäre er 91 Jahre alt geworden. Den meisten Menschen ist er als „Chronist deutscher Zeitgeschichte“ mit Werken wie „Tadellöser & Wolff“ (1971) oder den „Echolot“-Büchern über den Zweiten Weltkrieg bekannt. 

Weniger bekannt ist vielen, wie schicksalhaft sein Leben und Wirken mit dem historischen Ort Demmlerplatz in Schwerin verbunden ist. 1948 wird Walter Kempowski bei einem Besuch in Rostock zusammen mit seinem Bruder Robert verhaftet. Beide werden nach Schwerin in das Untersuchungsgefängnis der sowjetischen Geheimpolizei am Demmlerplatz überführt. Hier erlebt der 19-jährige Kempowski Unerträgliches schreibt später darüber: "Ich habe die Familie zerstört, nun suche ich sie auf Papier wiederaufzubauen." Ihm und seinem Bruder wird vorgeworfen, Frachtbriefe aus der Reederei des Vaters an die US-amerikanischen Besatzer weitergeleitet zu haben. Das Sowjetische Militärtribunal Schwerin verurteilt die Brüder wegen Spionage zu Freiheitsstrafen von je 25 Jahren, ihre Mutter etwas später wegen Mitwisserschaft zu zehn Jahren.

Walter und Robert Kempowski werden in das Speziallager Nr. 4 nach Bautzen verbracht und nach dessen Auflösung Anfang 1950 durch den Strafvollzug der DDR übernommen. Walter Kempowski wird wegen des Vorwurfes der Gründung einer christlichen Untergrundbewegung zeitweilig in Bautzen in Einzelhaft gesetzt. 1956 wird er vorzeitig entlassen.

Walter Kempowski, wie auch Mutter und Bruder, verlassen die DDR. Schnell plant er ein Buch über seine Hafterlebnisse zu schreiben. Nach seinem literarischen Debüt 1969, "Im Block" erscheint erst 1975 "Ein Kapitel für sich", in dem er über die Haftzeit am Demmlerplatz aus seiner eigenen Perspektive, der der Mutter und der des Bruders schreibt. Dieser Roman wird als Band VII der „Deutschen Chronik“, veröffentlicht.

An die Verfolgungsgeschichte der bürgerlichen Familie Kempowski in der SBZ/DDR wird in der Dauerausstellung des Schweriner Dokumentationszentrums erinnert. Im letzten Jahr wurde aus Anlass des 90. Geburtstages von Walter Kempowski eine zusätzliche Erinnerungstafel angebracht.

Unmittelbar nach der Friedlichen Revolution verfügt Walter Kempowski, einen Teil seines Archivs seiner Heimatstadt Rostock zu übergeben. Das Kempowski-Archiv Rostock ist eine feste Adresse für Kempowski-Leser aus ganz Deutschland. Gerade erscheint der 7. Band „Die Spatien“ mit Texten und Bildern aus dem Kempowski-Archiv.

Die Stadt Rostock ehrt Kempowski Walter 1994 mit der Verleihung der Ehrenbürgerschaft und 2002 mit der Ehrendoktorwürde der Universität Rostock. Zwei Jahre vor seinem Tod gründet Kempowski die Kempowski Stiftung. Mit der Stiftung möchte er "die in seinem Werk begründete Erinnerungskultur auch regional verankern und gleichzeitig die eindrucksvollen Nutzungsmöglichkeiten des gesamten Anwesens für die Öffentlichkeit erhalten"¹. Zwei Jahre nach der Stiftungsgründung stirbt Walter Kempowski 2007 in Rothenburg/Wümme.

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¹ https://www.kempowski-stiftung.de/die-stiftung/motive-und-ziele/index.html

Quelle: Walter Kempowski, Ein Kapitel für sich. München 1975, S.12.

Ausblick aus dem Fenster der Schweriner Zelle. Bildnotiz von Walter Kempowski